Es waren einmal zwei berühmte Männer. Die wurden vor einiger Zeit von einem Magazin zu den sexiest men alive gekürt. Also in unterschiedlichen Jahren. Einmal der, einmal der andere. Ich glaube sogar beide mehrmals, genau weiß ich das jetzt nicht. Als Klatsch und Tratsch Zeitschriften Leserin (natürlich nur beim Friseur!) weiß ich allerdings, dass es den beiden Boys derzeit nicht so gut geht.
Einst führten die beiden ein ziemlich erfolgreiches aber auch solides Leben. Beide waren gut verheiratet. Einer in Hollywood mit einer netten Schauspielerin, der andere führte ein Schönerwohnenleben mit einer ebenso netten Frau und zwei Kindern irgendwo am Lande in Südfrankreich. Dann betrog der in Hollywood Lebende seine nette Frau, heiratete eine andere (nicht so nette) und zog ebenso nach Südfrankreich, wo sie dann viele Kinder bekamen. Der Andere, also derjenige, der zuvor schon in Südfrankreich lebte, betrog seine nette Frau, heiratete eine andere (nicht so nette) und zog mit ihr nach Hollywood, wo sie keine Kinder bekamen. Können Sie noch folgen? Egal. Jedenfalls, geht es den Beiden gerade nicht so gut. Wie ich schon erwähnte.
Das kam so. Die neuen Frauen, also die nicht so netten, hatten nämlich bald genug von ihnen und machten vor nicht langer Zeit einfach Schluss. Seitdem sieht der eine aus wie ein Überlebender einer Wüstendurchquerung und lächelt in weißem Statement Hemd gequält-geläutert vor sich hin, während der andere sich den Wüstenausgang noch mit Übermaß an Alkohol und Drogen vernebelt, und dabei immer weniger aussieht wie er selbst.
Sogenannte Anführerjungs, die Quaterbacks dieser Welt, kochen also auch nur mit Wasser, können leiden, haben Herzschmerz und versumpern, und man merkt somit, es sind ja doch alle irgendwie gleich.
Das solche Jungs auch Ängste haben – so eigenartig diese Ängste auch sein können (!) – weiß ich seit einem Schlüsselerlebnis in früher Jugendzeit.
In meiner Klasse gab es einen Mitschüler der Wilhelm hieß, und von allen Willy genannt wurde. Willy war einer der lässigen Typen. Wir waren eine gemischte Klasse und Willy war unausgesprochen der Anführer der Burschen. So einen Typen gab und gibt es sicherlich heute noch in jeder Schule. Willy war der Stürmer im Turnsaalfußball (in Amerika wäre er wohl der Quaterback gewesen), und er war derjenige um den sich die anderen scharten.
Willy hatte natürlich seine engsten Freunde. Trug Willy ein hellblaues Hemd, vorne leicht aufgeknöpft, wurden blaue Hemden, vorne leicht aufgeknöpft, zum Renner bei der Willy Clique aus der 3a. Trug Willy eine ausgewaschene hellblaue Jean, mussten Mütter daheim dunkelblaue Jeanshosen mit Scheuermittel so lange in der Badewanne bearbeiten, bis diese genauso lässig stonewashed waren wie die von Willy. Und weil es genug Scheuermittel und brave Muttis gab, herrschte sozialer Frieden in der Klasse. Nur einmal nahm Willy den körperlich kleineren Gerald in den Schwitzkasten, als dieser behauptete, Willy hätte seinen Bleistiftspitzer kaputt gemacht was von Willy als glatte Lüge bezeichnet wurde.
Eines späten nachmittags befand ich mich ganz unbedarft am Weg zum Fähnchen Fieselschweif Heimabend, der jede Woche neben der Pfarrkanzlei stattfand. Während ich also mit meiner Allzeit Bereit Tasche Richtung Pfadfinderheim trabte, wer kam mir da plötzlich entgegen, hellblaue Jean, über der unbehaart glatten Brust leicht aufgeknöpft ein blaues Hemd, erschrak augenscheinlich, und hatte keine Chance mehr mir auszuweichen? Willy. Arm in Arm mit blondem Lockenkopf aus der Nebenklasse. Wir gingen wortlos aneinander vorbei, und ich schaffte es sogar mich nicht umzudrehen. Willy und der Lockenkopf aus der 3b. Es wunderte mich nicht.
Am nächsten Tag in der Schule stand Willy plötzlich vor mir in der Garderobe, als alle anderen schon in der Klasse waren. Er sah mich an, mit einem Blick, wie ein Nachzipfler der den Lehrer gleich um die Gnade einer positiven Note bittet. Mir, in der Mädchen Hierarchie im Mittelfeld, verschaffte er den Moment des Tages. „Sagst du es eh nicht meiner Mutter?“.
Was für eine eigenartige Vorstellung.
„Natürlich sage ich nichts“ stammelte ich verwirrt. Die Quaterback Aura bröckelte.
Meine aber bei Willy stieg, zumindest bis Ende des Schuljahres. Er grüßte mich sogar am Schulweg und drückte in der Straßenbahn für mich den Aussteigeknopf.
Nach den Ferien war für ihn Lockenkopf und somit auch alles andere was damit zu tun hatte, wieder Schnee von gestern und alles war wieder beim alten.
Und so denke ich, wird auch bei den oben genannten ehemaligen sexiest men alive bald alles wieder beim alten sein.