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Das Warten auf die Urlaubserinnerungen war mal eine Geduldsprobe.
Die Tage wurden runtergezählt wie ein Countdown. Und als es endlich soweit war, stand man voller Vorfreude in der Drogerie Nowak unter den Arkaden. Der Herr Nowak im weißen Kittel blätterte die großen länglichen Kuverts langsam durch, und zog schließlich das mit deinem Namen heraus. Man wurde aufgefordert die Fotos durchzusehen, denn sollte ein überbelichtetes dabei sein, konnte man es zurückgeben und musste dafür auch nicht bezahlen. Danke es wird schon passen. Da nahm ich lieber ein schwarzes Foto in Kauf, als schon vor den Augen des Herrn Nowak all die Fotos anzusehen. Das tat ich dann lieber draußen auf der Straße. Manchmal hielt ich es auch aus bis ich zu Hause war. Die Fotos ansehen, wie ein Tauchgang durch all die Urlaubstage. Kannst dich erinnern? Ach ja, das war bevor wir dies oder das taten. Und hier der nette Kellner, siehst du, in der Ecke ist er ein wenig zu sehen. Und da machten wir den Ausflug. Und wie heiß es an dem Tag war. Und hier sieh mal, die schöne kleine Bucht. Schön wars. Und Fotos waren dabei, von denen man gar nicht mehr wusste, dass man sie gemacht hatte.

Die Anzahl der Fotos war begrenzt. Es gab Filme mit 12, 24, oder 36 Bildern. Ich glaube es gab auch 72. Aber das war eine höhere Liga. Meistens kaufte ich 12 weil es am günstigsten war. Aber wie beim tanken, war beim Kauf schon klar, dass es nicht lange reichen wird. Manchmal, eher selten auch den 36er gekauft. Wenn gerade das Gehalt noch frisch am Konto war. Das war dann ein Gefühl wie volltanken. Nur ja keine Fotos im Übermut verplempern. Die drei, die am Ende des Urlaubs noch über waren, die mussten dann gut überlegt sein.

Irgendwann kamen die digitalen Fotoapparate, danach die Handys und mit ihnen die unendliche Weite des Fotospeichers. Knipsen, wieder löschen, nochmals knipsen, solange bis man ein Foto von sich selbst halbwegs ertragen kann. Ja dieses hier sieht halbwegs passabel aus, das kann bleiben. Nein, das Schreckliche bitte löschen. Die Guten – natürlich nur die – werden durch den Internethighway gejagt, landen in den Facebooks oder in den WhatsApp Eingangsordnern von Freunden und Verwandten. Grüße vom Urlaub. Grüße von dort. Grüße von da. Manchmal sind die schneller dort, als man selbst angekommen ist. Die Profis verzieren die Fotos mit lieblichen Rahmen oder mit Texten. Wie Ansichtskarten sehen die dann aus. Wenn Zeit und Muße, werde ich mir diese Apps auch mal runterladen. Das beklemmende Gefühl dass Andere dem technisch gewachsen sind, kann ich so nicht stehenlassen.

Die Schönsten lasse ich immer noch ausdrucken. Foto ist Foto. Ich muss Erinnerungen auch in Händen halten können. Schöne, lustige und traurige. In eine große Schatzkiste kommen die, und hin und wieder ist es schön ein paar davon herauszunehmen und durchzublättern. Zeitreise durch die Jahre. Wie in einen alten Spiegel schauen.

Bei einer Bekannten wurde unlängst eingebrochen. Computer weg. Festplatte mit allen Fotos  weg. Fotos ihrer Kinder, von der Geburt bis zum ersten Schultag. Alles weg.

Manchmal hat es auch etwas Gutes ein klein wenig gestrig zu sein.

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Über andrea

Geschichten aus dem Alltag
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12 Antworten zu 12,24,36

  1. Madame Filigran schreibt:

    Genau so war das damals. Ich kann mich noch gut erinnern. Meist nahm ich den 24er Film, ein Kompromiss. Schöne Erinnerung. Danke dafür.

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  2. traeumerleswelt schreibt:

    Kann mich ebenfalls noch gut erinnern 🙂 Habe alle Bilder fein säuberlich in Alben geklebt. Ganz selten nimmt man mal eines zur Hand, am liebsten das mit den Kinderbildern der Töchter. Meine älteste Tochter druckt auch heute noch die schönsten Fotos aus..zum Anschauen und zum Verschenken. Freue mich über jedes ! 🙂

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    • andrea schreibt:

      Ja die Alben gehörten auch dazu!
      Anfangs noch mit den mühsamen Fotoecken 🙂 Dann irgendwann einfach ganz eingeklebt.
      Ich glaube man bekam auch zu jedem entwickelten Film so ein kleines Plastikbüchlein mit Cellophanhüllen dazu geschenkt.

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  3. karlswortbilder schreibt:

    die lieben Erinnerungen 🙂

    lg
    karl

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  4. juergen61 schreibt:

    Ich habe hier noch die Fotoalben von meiner Oma und meiner Mutter liegen…allein das anschauen …die ganz alten Alben noch mit knisternden Schutzseiten zwischen den Fotos…und die haben einen tollen gewellten Büttenrand ….das Anschauen ist jedesmal eine Erlebnisreise …und wenn ich dann wieder zu meinem 12 terabyte umfassenden Festplattenstapel zurückkehre…wo bleibt da der angebliche Fortschritt…?
    LG Jürgen

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  5. wol schreibt:

    Wohl dem, der sie in einer Cloud gespeichert hat.

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  6. frauholle52 schreibt:

    Als ich 14 war, reiste ich mit meiner Freundin und ihren Eltern nach Norwegen. Wir haben uns einen Schwarz-Weiß-Film (36 Bilder) geteilt. Mehr war nicht drin. War aber auch irgendwie schön, gemeinsam darüber zu diskutieren, was wir „knipsen“ wollten. Wir haben uns jedes Motiv gut und dreifach überlegt.
    Wir hätten damals nicht gegleubt, was heute fototechnisch möglich ist.

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  7. Simmis Mama schreibt:

    Schön! Ich entwickle auch wenn ich Geld habe

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