Das Bilderrätsel im Kopf

Besuch bei der 92jährigen P. in der Altersresidenz. Man schlürft Kaffee und plaudert über dies und das. Ihre Haare erst kürzlich frisch gelegt. Die lilafarbene Weste die so gut zu ihr passt, weil Lila einfach eine Mädchenfarbe ist. Ihr Kopf ist immer noch hell, auch wenn sie bereits zum gefühlten zwölften mal nachfragt ob die L. schon verheiratet sei. Nein?
Denn sie selbst hat ja schon mit 17 den H. geehelicht, das war kurz bevor der Krieg anfing. Ihr Vater, der hat damals die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Kind, du bist noch so jung. Aber sie hatte sich das in den Kopf gesetzt und Basta. Ja so wars früher. Nicht viel anders als heute. Man kann den Jungen schwer was ausreden, überhaupt wenn es um die Liebe geht. Da kann die Eisenbahn drüberfahren. Und dann kam der Krieg und sie hat H. einige Jahre nicht gesehen. Viele Geschichten hat diese Zeit geschrieben. Geschichten die gut für ein Drehbuch mit dem Titel GZSZ herhalten könnten. Mit mehr Betonung auf die letzten beiden Buchstaben.

H. kam dann irgendwann aus dem Krieg nach Hause. Sie führten ein gut bürgerliches Leben. Alles musste damals in braver Ordnung sein, nach diesen schrecklichen Jahren. Der jährliche Urlaub in Caorle, Porzellanpuppen auf der bestickten Tagesdecke im robusten ehelichen Eichenbett, der Schweinebraten am Sonntag. Bis sein Tod im Pensionsalter sie schied.

Und nun Endstation in einem fünfzehn Quatratmeter großen Zimmer mit Balkon. Es gibt nur mehr die Erinnerungen im Kopf. „Meine große Liebe war ja der Franzi“, entfleucht es ihr plötzlich, zwischen zwei Gabelbissen Malakofftorte. Das muss schon sehr lange her sein, aber ihr Gesichtsausdruck dabei sagt, dass es nur ein Lächeln weit entfernt ist. Ich lächle auch und schiele zu ihrem Enkelsohn der neben mir sitzt. Er lächelt nicht. Sondern schaut so angestrengt als würde er in einem Bilderrätsel gerade den Fehler suchen.

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Jedem sein High Five

Ich gehöre zu den privilegierten Menschen in Österreich welche keine schulpflichtigen Kinder mehr haben. Das Leben ist schön.
Ich kenne Menschen die nach Schulabschluss des Kindes von Wien nach Mariazell pilgerten. 159 Kilometer.
E i n h u n d e r t n e u n u n d f ü n f z i g.
Mein Mann und ich gaben uns stattdessen lieber im stillen Kämmerlein High Five.
Denn gewandert sind wir genug. Durchs bittere Tal der Tränen, teuren Nachhilfestunden, nervigen Elternsprechtagen, abendliche „prüfst mich bitte ab“ Stunden, nicht genießbare Mai Monate in denen um Nachprüfungen gezittert wurde. Ich könnt ein Buch schreiben, ich sag´s euch. Über insgesamt all in all 17 Schuljahre.
S i e b z e h n.
Natürlich gab es auch angenehme Stunden. Ich kann mich zwar jetzt nicht wirklich so definitiv erinnern. Aber es muss sie sicher gegeben haben.
Definitiv kann ich mich jedoch an ein ganz besonderes Gustostückerl von „Pädagogen“ erinnern, welcher einem meiner Kinder wöchentlich immer wieder  ein und die selbe Prüfungsfrage gestellt hat. Nämlich, wieso es denn hier noch sitze, denn es wird es sowieso nie lernen. Das Gustostückerl hat aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Denn mein Kind wechselte die Schule und hat es gelernt. Interessanterweise sehr gut sogar. Lag es vielleicht doch am Gustostückerl? Rachsüchtig wie eine sizilianische Erdmännchenmama, war ich mir Jahre später nicht zu blöd, in der alten Schule vom Gustostückerl anzurufen. So gern hätt ich ihm das alles brühwarm erzählt. Ich bekam die Auskunft, dass Herr Gustostückerl sich für längere Zeit in Brasilien aufhält. Der Spruch „bleib doch wo der Pfeffer wächst“, hatte für mich nie intensivere Bedeutung.

**
Vor geschätzten zehn Jahren gab es einen großen Aufschrei in Österreich.
Z e h n.
Österreichs SchülerInnen schnitten beim Pisatest furchtbar schlecht ab. Die Zeitungen überschlugen sich mit Meldungen. Die Politiker rannen händeringend „was sollen wir nur tun?“ planlos hin und her. Man suchte die Schuld. Und fand keine Lösungen.
Als einfach gestrickter Mensch  war für mich die Sache sonnenklar. Pädagogisch besser ausgebildete Lehrer,  kein  Pausengeläute alle 50 Minuten, mehr Förderung für schwächere Schüler, aufmuntern statt niedermachen. Ja, so stellte ich mir die rosa geblümte Schulwelt vor.
Aber wie  ein ehemaliger  österreichischen Bundeskanzler schon so gescheit sagte: „Es ist alles nicht so einfach“.

Die SchulministerInnen kamen und gingen, warfen entnervt das Handtuch. Die Schulglocke läutete beharrlich alle 50 Minuten weiter.

Um so größer war die Spannung als am 17.11.  eine Pressekonferenz zum Thema „Schulreform neu“ angekündigt wurde. Endlich, so schien es, war das Kind geboren. Man wartete gespannt.
Also, so sieht es aus jetzt: Die Stadtschulräte machen nun das, was die Landeschulräte bisher machten. Oder ist es umgekehrt? Die einen Kompetenzen wandern von A nach B. Die anderen Kompetenzen von B nach A.  Aber nur wenn der A nun das macht, was der B machen sollte. Von der Gemeinde zum Bund, vom Bund zum Land. Vom Land zur Gemeinde. Oder doch irgendwie umgekehrt?

soko2

High Five der „SOKO Türschildtausch“ am 17.11.2015. Manchmal ist es zum weinen.

 

 

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Handylos

Vor ein paar Jahren hatte ich einen bislang unerreicht entspannten Wochentag. Man merkt – bis heute erinnere ich mich wehmütig daran. An diesem Tag war mein Handy kaputt.

Hier ein Auszug von theoretisch nicht erhaltenen und nicht geschriebenen  sms Nachrichten:

An Kollegen während roter Ampel: Verspäte mich um zehn Minuten.
War trotzdem die erste im Büro.
Mist, unnötiges Outing.

Vom Nachwuchs (mit Handy von Freundin): Hilfe hab mein Handy vergessen! Bringst du es mir in die Schule nach? Doppelsmiley.
Mögliche Antwort Variante 1: Sorry bin schon in der Arbeit, kann nicht weg.
Mögliche Antwort Variante 2: Ok
Mögliche Nachricht vom Chef: Wo bist du?
Mögliche Antwort an Chef: Auf Botendienstfahrt.
Irritierter Chef

Kollege: Bitte bring mir doch ein belegtes Brötchen mit.
Mögliche Antwort Variante 1: Ok, ich stehe zwar gerade an der Kassa aber ich gehe gerne zur Wurstabteilung zurück an der sich gerade wie üblich zur Mittagszeit eine 5 Meter lange Schlange befindet und stelle mich gerne nochmal an.
Schlechtes Gewissen des Kollegen.
Mögliche Antwort Variante 2: Sorry, bin leider schon am Rückweg
Eigenes schlechtes Gewissen

Vom Nachwuchs: Habe auf die Deutsch Schularbeit ein Nicht Genügend. Ur unfair. Mögliche Antwort Variante 1: Weil du auch nie Bücher liest!
Mögliche Antwort Variante 2: Ich werde mit der Deutsch Lehrerin sprechen!
Grübeln was man mit der Lehrerin besprechen soll, was man nicht eh schon weiß.

Vom Ehemann: Stehe in der Bäckerei, Die haben kein Mischbrot mehr. Was soll ich stattdessen nehmen?
Mögliche Antwort : ja Himmel, irgendein anderes halt.
Schlechte Stimmung. Er wollte ja nur nichts falsch machen.

In Österreich gab es in den siebziger Jahres anlässlich der Ölkrise einen autofreien Tag pro Woche. Das funktionierte so:
autofrei

Jeder Autobesitzer musste einen Wochentag – Aufkleber am Auto anbringen. An diesem Tag durfte das Auto nicht benutzt werden.

So ein Aufkleber für Handys. Das wär doch was.

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Friseurgeschichten Teil 2

friseur

Jahrelang war ich dem Hansi treu. Schließlich hat er mir seinerzeit schon meine Hochzeitsfrisur gemacht. Damals noch, als er den Salon seines Vaters im zwanzigsten Wiener Gemeindebezirk übernommen hat. Neben der Fleischerei und dem Huber Wäschegeschäft. Die Fleischerei ist jetzt so ein Handy Supermarkt, das Wäschegeschäft hat bis heute überlebt. Irgendwann hatte der Heinzi dann ein neues Geschäft direkt in der Innenstadt eröffnet, weil er seiner Ex nach der Scheidung den alten Salon vom Vater überlassen hat, die ihn natürlich wegen ihrem fehlenden Geschäftssinn in den Ruin führen würde. Oder vielleicht weil ihm der Zwanzigste doch zu wenig „chi chi“ war. Ich wollt es nicht so genau wissen, denn schließlich geht man ja nicht zum Friseur um sich SEINE Geschichten anzuhören.

Innerstädtisch wurde der Hansi dann zum „Herrn Hans“. Prosecco und Bussi Bussi für die feinen Damen zur Begrüßung. Ok, ich nahm auch immer ein Glas. Wenn ich schon soviel zahlen muss. Bussi gabs auch zum Abschied, aber nur wenn ich zufrieden war. Das ist ja immer so eine Sache mit den Friseuren. Die haben ja schneidetechnisch auch ihre good und bad hairdays. „Der gleiche Schnitt nur zwei Zentimeter kürzer“. Das ist doch eine Ansage, oder? Funktioniert nicht immer. Denn da kann einer noch so gut schneidern, manchmal da haben sie eben so ihre Tage. Ich hab ja schon vieles erlebt und auch schon ausprobiert:

Während des Schneiderns nicht tratschen! Er/sie soll sich doch bitte auf die Arbeit konzentrieren anstatt über die & das herumzuplappern. Das Problem dabei ist nur, dass man vielleicht unsympathisch rüberkommt und vielleicht schneidet er/sie dann absichtlich ganz ganz schlecht. Nach dem Motto „Na der redefaulen Schabracke schneid ich jetzt einen ganz furchtbaren Schnitt damit sie die nächsten drei Monate schlechte Laune hat, das hat sie nun davon!“ Also vielleicht keine so gute Idee.

Den Wunschschnitt erst NACH dem waschen mitteilen! Damit die Anleitung noch frisch im Gedächtnis ist. Habe ja keine Ahnung ob er/sie sich das ansonsten so lang merken kann. Zwanzig Minuten ist doch ne lange Zeit. Bei den vielen Menschen die da sitzen und alle einen Haarschnitt wollen. Man will ja schließlich nicht verwechselt werden, und mit einer Muttchenfrisur den Salon verlassen. Wollt ich ausprobieren. Bin aber gleich bei der Begrüßung, nach dem Kreuzverhör „na was mach ma heute?“ zusammengebrochen.

Beobachtung! Ob ein Schneiderlein gut oder schlecht ist, lässt sich ja schon daran erkennen wie gewandt dieser seiner Arbeit nachgeht. Deshalb verharrte ich auch manchmal vor der Auslage eines Salons um zu beobachten. Unauffällig halt. Ein paar mal auf und abgehen, und reinschauen. Fällt da wem die Schere aus der Hand? Verlässt jemand heulend den Salon?

In einer Zeitschrift hatte ich mal gelesen, man solle doch mit frisch gewaschenem und geföhntem Haar zum Friseur zu gehen! Damit der Schnitt und die Beschaffenheit des Haars zu erkennen ist. Klang gescheit und so logisch. Natürlich sofort ausprobiert. In der Früh Haare gewaschen und geföhnt. Der Rechtsknöpfler zuhause verdrehte verwundert die Augen. „Gehst du nicht heute eh noch zum Friseur?“ Ach, der hat ja null Ahnung! Ja , ich weiß, es ist eh bescheuert. Aber was tut man nicht alles um die Schlechte – Schnitt – Laune nachher nicht an Mann, Kinder und Katze auszulassen.

Aber zurück zu Hans:
Jedenfalls hatte der Herr Hans wieder mal einen bad hairday. Na da hats gereicht! Na der sieht mich nie wieder! Ein Neuer musste her. Ich bekam einen Tipp. Der Oliver. Ein junges aber sehr talentiertes Schneiderlein von einem anderen Salon. Ok den probier ich aus. Ich sags euch, super wars. Ich war glücklich. Drei Monate lang.

Dann wollte ich telefonisch einen neuen Termin vereinbaren.
„Der Oliver arbeitet nicht mehr hier!“
Verdammt!
Sie rückten natürlich mit seiner neuen Arbeitsplatzadresse nicht heraus.

Was jetzt? Zurück zu Hans? Nein, ist viel zu peinlich. Er wird merken dass ich untreu war. Am Fremdschnitt und an der lange vergangenen Zeit. Ich könnte erzählen, dass ich für einige Monate im Ausland war? Aber wo? Kanada? Italien? Fidschi? Tirol? Nee dass glaubt er mir nie. Also keine Rückkehr zu Heinz. Verdammt!

Die Magnolien (siehe Teil 1) möchte ich schneidetechnisch nicht testen, brauche mein Mittagspausen Leo.

Also wieder auf Stalkertour gehen. Sollte ich noch keine Unterlassungsklage bekommen haben, bin ich noch unterwegs.

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Friseurgeschichten Teil 1

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Im elften Wiener Gemeindebezirk gibt es eine Hauptstraße, zu der sich die mondänen gnä Frau´s aus den gehoberen Randbezirken, sowie all die gereiften Botox Aliens der Marke „ich muss mit Nabelpiercing und Kampfgekichere mir selbst und meinem angeheirateten Altersvorsorgetyp vormachen, dass ich dreissig bin“, jemals hin verirren würden. Trotzdem, oder vielleicht deshalb, herrscht dort ein reges Leben und Treiben. Eine Spa Zone der anderen Art. Dort ist es völlig egal wie man aussieht, ob man einen good oder bad hairday hat. Man kann ungeschminkt und im Schlabberlook herumwandeln, ein farblich völlig unzusammenpassendes Outfit tragen, die Schmuddeljacke anhaben, welche man sich sonst nur zum Gärtnern aus dem Kasten holt, aber die doch so gut warm ist; kein Schwein kümmert sich darum. Weder der alte kurz vor der Pensionierung stehende Schuhmacher, nicht die Dame aus der kleinen Bäckerei mit dem guten heißen Coffee to go, nicht der Typ mit dem Shop, in dem es hochpreisige englischen Markenmännerhemden gibt (wie kann der hier überleben?), nicht die Dame – und sie ist eine – im Hutmodegeschäft aus den 60er Jahren (wie kann die hier überleben?), und schon gar nicht die Magnolien aus Stahl vom Friseursalon Doris. Manchmal wenn ich einen bad hairday habe, gönne ich mir eben dort ein 10 Minuten Spa. Reservierung davor unerwünscht. „Geh komm einfach vorbei, das geht schon“. Per du sind dort alle. Die Chefin, ich nehme an die Doris, ist die Generalin und Dirigentin zugleich. Die Bude ist immer voll. Egal zu welcher Tageszeit. Es gibt Wartesessel an der Wand – wie in einem Arztwartezimmer – die sind immer voll besetzt. Denn kein einziger Arbeitssessel soll unnötig, nur wegen einer langweiligen Einwirkzeit von Haarfarbe, blockiert werden. „Du, setz di da rüber, und du daher“ kommandiert und dirigiert die Generalin während sie selbst am Chefsessel gerade Haare föhnt. Prosecco gibt’s ja üblicherweise in den Salons der Prachtstraßen, bei Doris gibt’s Sekt. Zu jeder Tageszeit. Selbst vergönnt sie sich ein Glaserl, auch manchmal schon am vormittag. Im Leben und bei den Männern vielleicht nicht immer ins Glückkisterl gegriffen. Oder vielleicht gerade deshalb. Die Rekrutinnen arbeiten emsig und im Akkord vor sich hin. Eine Zigarettenpause schnell bei der Hintertür zum Gang hinaus. Zwischen Haare färben und Locken eindrehen. Das meiste Trinkgeld soll die bekommen, die´s brauchen kann, wegen der teuren Windel die sie kaufen muss. Eine blau geblümte Schürze mit Lockenwicklern im Haar hält es in der Warteecke nicht mehr aus, steht auf und schnappt sich einen Besen. „I helf euch ein bisschen“. Zum Dank gibt’s auch für sie ein Glaserl Sekt. Na ob der Opa heute noch sein Mittagessen bekommen wird? Irgendwann scheint ein begabter Fotograf des Weges gekommen zu sein. Hat all die Magnolien Gesichter der Generalin und ihrer Rekrutinnen eingefangen. Nun lachen sie da oben ohne Computerretusche von der Wand herunter, als Ambivalenz zwischen Salonstress und Lebensfreude.

Irgendwie ist die Welt dort in Ordnung in meinem Mittagspausen Mikrokosmos .

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Im Sixpack nach Venedig!

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Im Billigflieger ist man in einer Stunde und zehn Minuten von Wien Schwechat in Venedig. Genauso viel Zeit verbringt man durchschnittlich im Wartezimmer seines praktischen Arztes und wartet auf Aufruf, oder fährt mit der Straßenbahn von Nussdorf zum Zentralfriedhof in Simmering. Ein paar Wimpernschläge und man ist in einer anderen Welt. Ohne Vorbereitung, ohne Eingewöhnung, ohne Akklimatisierung. Ohne Abschied nehmen vom Vorüberziehenden.

Auf die Generation im VJ (vorherigen Jahrhundert) warteten jeden Tag am Wiener Südbahnhof der Romulus und der Remus. Der eine fuhr um 19 Uhr, der andere um 23 Uhr. Beide Brüder in den Lackfarben rot/grau oder auch orange, fuhren sie die Südbahnstrecke bis zur Endstation Rom. Wie sich das schon anhörte! Nach Fellini, Trevi Brunnen und Dolce Vita.

Welcher genau wann fuhr, weiß ich nicht mehr, aber das Gute daran war, das Wissen darüber, dass es zweierlei Möglichkeiten gab. Mit dem einen erreichte man Venedig zur Frühstückszeit,  mit dem anderen zum Mittagessen.

Alleine der Gedanke daran, und das Sinnieren darüber, ob man den früheren oder besser doch den späteren nehmen sollte, verursachte schon ein leichtes Kribbeln von Vorfreude und eine gewisse Aufgeregtheit.  Man war cool genug, keine Zeit, keine Gedanken, und schon gar kein Geld für Platzreservierungen zu verschwenden. Liegewägen waren der unteren Upperclass vorbehalten. Schlafwägen kannte man nur aus Agatha Christie Filmen.
Man fuhr zum Bahnhof, stieg ein und hoffte auf einen freien Platz in einem der miefigen Sechser Abteile mit Schiebetür. Idealerweise noch zur Gänze unbesetzt. Schnell ausbreiten, Tür und Vorhang zu. Diese Freude hielt nur leider selten, denn das Geräusch der aufgehenden Tür mit den Worten „ist hier noch frei?“ war so klar wie irgendwas . Es gab trotzdem eine unausgesprochene Verbundenheit unter den Reisenden. Man teilte die Vorfreude auf den nahenden Süden.
Reisende unter sich. Verstand man sich gut, wurden die Sitze zu einer großen Matratze zusammengeschoben und fertig war der Mac Gyver Liegewagenplatz. Man las ein Buch, oder den zuvor am Bahnhof gekauften Reader´s Digest. Oder man sah aus dem Fenster. Sah die Südstrecke vorüberziehen, Kühe auf der Weide, einzeln stehende Bauernhäuschen, kleine Dörfer mit ihren Kirchtürmen, Österreich wie aus dem Bilderbuch.
In Kärnten wurde nachts die Luft traditionsmäßig kalt, und man wusste die Grenze war nicht mehr weit. Am Grenzstein vorüberzurattern, die alte und die neue Ländertafel mit einem Gänsehautgefühl hinter sich zu lassen, das ist über den Wolken nicht möglich. Da gibt’s keine Grenzen und keine Schilder. Dort gibt es auch kein Tarvisio, das kleine Grenzstädchen, welches man nur nachts und verschlafen kannte, bei dem man jedes mal überlegte, ob hier auch Menschen wohnen, oder seine Hauptaufgabe darin bestand, die Reisenden willkommen in der neuen Welt zu heißen. Eine Welt die sich langsam italienisch wandelte, mit Zypressen, Olivenbäumen, leer stehenden Bauernhofruinen und Wassertürmen. Den Cappuccino konnte man gedanklich schon riechen, da war Venedig noch ein in einstündiger Entfernung liegender Wunschtraum.

Reist du schon oder fliegst du noch?

Nun ja, im Abteil war immer schlechte Luft. Der Speisewagen unbequem und wackelig zu erreichen und meist am ganz anderen Ende des Zuges. Langfinger gab es auch damals schon, die Schaffner waren unfreundlich, die Fahrt urmühsam und schlafen konnte man auch nicht wirklich.
Trotzdem.. wieder mal entschleunigt reisen, das wär doch was.

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Die Rückkehr des Tanklehrers

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War das damals nicht lässig? Anno dazumal fuhr man zur Tankstelle, kurbelte das Seitenfenster hinunter und sprach salbungsvoll: „ Super voll und bitte Wasser und Öl nachsehen!“  Der Mann im Overall führte den Befehl aus,  tankte voll, und füllte bei Bedarf Wasser und Öl nach. Bekam dafür ein wenig Trinkgeld und putzte noch dazu die Windschutzscheibe. Froh und munter fuhr man davon. Mit offenem Seitenfenster da es noch keine Klimaanlage gab, wehendem Haar, vollem Wassertank und dem beruhigendem Ich-habe-Öl-nachgefüllt-Gefühl.  Nichts kann passieren. Das Radio lief. War doch das Autofahrerleben schön!

Hoc Anno: Man fährt zur Tankstelle. Steigt aus bei Wind und Wetter. Vergewissert sich gedanklich hundert Mal den richtigen Zapfhahn in den Händen zu haben (stimmt eh Super 95? Das Wassernachfüllen verschiebt man auf später und Ölnachsehen kann man  doch sicher auch noch zu einem anderen Zeitpunkt. Denkt man…

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